Der Holzwurm, nebst Hinweisen zu seiner Pflege , Seite 3
Gottfried von Bohrs, ein Holzwurm mit Stammbaum
Gottfried grüßt alle Holzwürmer in Internet !

Viel besorgniserregender als diese relativ harmlosen Krankheiten ist ein gelegentlich vorkommender Unfall : die Rückgratverstauchung. In Holzteilen geringer Stärke, etwa in den Wänden eines leichten Schrankes, muß der Wurm sich genau in der Mitte des Materials halten und eventuelle Kurven (z.B. die Ecke Rückwand-Seitenwand) außerordentlich scharf nehmen. Bei dieser Gelegenheit tritt die Rückgratverstauchung auf. Der Wurm befindet sich dann in rechtwinkliger Lage und kann nicht weiter, kann also auch keine Nahrung mehr aufnehmen und muß verhungern, wenn er nicht innerhalb von 24 bis 28 Stunden befreit wird.
Zu diesem Zweck nehme man das betreffende Möbelstück vorsichtig auseinander, fasse den Wurm an Vorder- und Hinterteil und biege ihn von 90 Grad wieder auf 180 Grad gerade.

Fortpflanzung : Die Fortpflanzung des Holzwurms läßt die Wissenschaft völlig im dunkeln tappen. Das wundert niemanden, der einmal das Innere einer Eisenbahnschwelle fotografieren wollte - um nur ein Beispiel zu nennen. Man hat an der Universität Chicago Holzwürmer im Freien gehalten, sie mit Streichhölzern ernährt (die zum Einbohren zu dünn sind) und gehofft, nun die Fortpflanzung beobachten zu können. Sei es, daß die Würmer sich genierten, sei es, daß die Streichholzdiät wichtiger Wirkstoffe ermangelte - jedenfalls geschah nichts. Man vermutet jedoch, daß sich der Holzwurm auch unter normalen Bedingungen nur wenig vermehrt. Im Biologischen Staatsinstitut zu Moskau hat man im Jahre 1898 zwei Exemplare in einen Schrank gesetzt und diesen 1931-37 millimeterweise mit dem Schnitzmesser zerlegt. Man fand nicht mehr als die beiden Würmer von 1898. Außerdem stellte sich heraus, daß es zwei Männchen waren, was nach Ansicht mancher Forscher den Wert des Experiments etwas vermindert.

Das Mclntosh-Institut in Edinburgh hat 1954 versucht, der Lösung des Problems von der akustischen Seite näherzukommen. Es versprach jedem eine Summe von 1000 Pfund Sterling, dem es gelänge, den Balzruf des Holzwurmes auf Tonträger aufzunehmen. Bis heute hat sich niemand gemeldet, -außer einem Schwindler, der jedoch bald entlarvt werden konnte. Er hatte den Brunftschrei der Kleidermotte (tinea sacitella) aufgenommen. So bleibt denn abzuwarten, ob die Versuche Erfolg haben, die Prof. Watschenbrunner im Auftrage der Münchener Forstwissenschaftlichen Akademie durchführt. Er hatte darauf hingewiesen, wie viele Menschen den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen, und die Züchtung durchsichtiger Holzarten vorgeschlagen. Sollte dies gelingen, so würde sicher auch die festgefahrene Holzwurmfortpflanzungsbeobachtung neuen Auftrieb erhalten.


du schlangengleicher       im holze bohren
geheimnisreicher       all dein rumoren
vermutlich weicher       menschlichen ohren
nagender schleicher       schier ganz verloren
 
in eiche weilen       im sperrholz nagen
an buche feilen       durch viele lagen
schwer anzupeilen       das zu vertragen
mit axt und beilen       oh welch ein magen

Nach einem chinesischen Original des Tschu Ang Tse (ca. 370 - 301 v. Chr.)

Nachwort : Vergleicht man den geringen Umfang dieser Untersuchung mit den dickleibigen Folianten, die z.B. über die gemeine Stubenfliege (musca domestica) geschrieben wurden, so kann man sich des Staunens kaum erwehren. Wie beschämend ist es, daß die Menschheit in vielen Jahrtausenden nicht mehr Wissen über ihren treuesten Weggenossen sammeln konnte. Um so heller aber strahlt der Ruhm jener Männer, denen wir unsere bescheidenen Kenntnisse verdanken - wie etwa der Bruder Benediktus von St. Gallen.
Soeben erreicht uns die noch unbestätigte Nachricht, daß der Vatikan die Absicht haben soll, Bruder Benedikt zum Heiligen und Schutzpatron der Kleintierforschung zu ernennen - gegen den Widerspruch der Schweizer Geistlichkeit, die dem genialen Mönch nach fast 900 Jahren die Flucht aus dem Kloster noch immer nicht verzeihen kann.

Vieles bleibt zu tun. Noch wissen wir nichts über den Geist und die Seele des Holzwurms. Es ist zu vermuten (man denke an den Wurm des Amsterdamer Kunsthändlers), daß auf diesem Gebiet noch manche Überraschung möglich ist.
Wie denkt der Holzwurm über sich selbst ?
Betrachtet und empfindet er sich als Holzwurm ?
Wie sieht er den Menschen ?
Bestehen Spannungen zwischen östlichen und westlichen Holzwürmern ?
Wie beurteilt der im Gehäuse eines Fernsehapparates lebende Wurm das Programm?
Fragen über Fragen.

Hier öffnet sich ein weites Feld für den Amateur, den privaten Tierfreund, der mit seinem Wurm im gleichen Zimmer lebt. Von ihm erwarten wir die wurmpsychologischen Erkenntnisse der Zukunft. Wenn diese Abhandlung dazu beitragen könnte, die schöpferische Neugier künftiger Wurmologen zu wecken, wäre der Verfasser für alle Mühe reich belohnt.

(Text nach einem Artikel in einer satirischen Zeitschrift von 1960, vermutlich "Pardon")


Gottfried verabschiedet sich, er hat gerade ein frisches Brett entdeckt ......


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