Der Holzwurm, nebst Hinweisen zu seiner Pflege , Seite 2
Gottfried von Bohrs, ein Holzwurm mit Stammbaum
Gottfried von Bohrs, ein Holzwurm mit Stammbaum

Noch Goethe glaubte, wie wir aus den Aufzeichnungen Eckermanns wissen, daß der Holzwurm immer oben anfängt zu nagen und dann durch sein eigenes Gewicht automatisch in die entstandene Lücke rutscht. Erst 1907 fand Dr. Maurice de las Fantas die Lösung, welche 1942 in der Raketenversuchsstation Peenemünde durch Wernher von Braun experimentell bestätigt wurde. Werfen Sie bitte einen Blick auf unsere schematische Darstellung. Der Wurm nagt (A) am Holz, zieht (B) Nährstoffe und Vitamine heraus und gibt die sägemehlartigen Rückstände durch den Auspuff (C) von sich. Dies geschieht unter beträchtlichem Druck, dessen Rückstoß das Tier vorwärts treibt. Dabei entspricht die hintere Beschleunigung immer genau der vorderen Freßleistung (Braunsches Gesetz), so daß der Wurm sein Tempo mit dem Gebiß reguliert.
Holzwurm - Rückstoß

Ernährung : Das Prinzip ist bekannt; es gibt kein anderes Haustier, dessen Ernährung so wenig Kosten und Mühe verursacht. Dies - und natürlich seine stille, unaufdringliche Art - machen den Holzwurm zum liebenswertesten aller Hausgenossen. Zunächst muß man sich allerdings einige Gedanken über seine Ernährung machen. Manche Holzwürmer sind Allesfresser. Sie nehmen Ahorn, Balsa, Zeder, Fichte, Birke, Teak - wie es gerade kommt - und sind notfalls auch mit einer ausgedienten Apfelsinenkiste zufrieden. Andere wieder bestehen drauf, ganz bestimmte Hölzer zu bekommen, beispielsweise Quebracho.

Diese Spezialisierung geht mitunter erstaunlich weit. In seinem bekannten Buch "Wie mich das wurmt" berichtet Herzmansky von einem Amsterdamer Kunsthändler, der nach jahrelangen Züchtungsversuchen einen Wurm herausmendeln konnte, der alles, außer dem Lindenholz gotischer Madonnen, zurückwies. Selbst meisterhafte Kopien aus späterer Zeit lehnte er ab, so daß mit seiner Hilfe eine Reihe raffiniertester Fälschungen entlarvt werden konnte. Da der Kunsthändler niemanden wußte, dem er nach seinem Tode den Holzwurm hätte gönnen mögen, bestimmte er testamentarisch, daß man mehrere in seinem Besitz befindliche Tilman Riemenschneiders zersägen und aus den Brettern einen Sarg bauen sollte. So könnte der Wurm sich noch einige Jahre in der Nähe seines toten Herrn tummeln.

Nun, die Hinterbliebenen hielten sich genau an das Testament, wenn auch ungern. Mehr noch als die Zerstörung der Riemenschneiderschen Madonnen wurmte es sie, daß der kleine Experte nutzlos einen Sarg zernagen sollte, anstatt weiter für die Firma tätig zu sein. Zu ihrer Freude stellte sich heraus, daß der Verblichene die Rechnung ohne den Wurm gemacht hatte. Dieser krümmte sich voll unsäglichen Ekels, als man ihn auf den Sarg legte, und war auch durch gutes Zureden nicht einmal zu einer Probebohrung zu bewegen. So zeigte sich, daß es dem sensiblen Tier nicht allein um das antike Holz, sondern um das Kunstwerk als solches ging. Mit bloßen Brettern, selbst aus Gotisch Linde, war ihm nicht gedient. Selbstverständlich ist dies ein Ausnahmefall, man könnte hier schon von Überzüchtung sprechen.

Der normale Feld-, Wald- und Wiesenwurm stellt - wie schon angedeutet - keine übertriebenen Ansprüche. Vielleicht nimmt er nicht gerade jedes Holz, aber man kann ziemlich sicher sein, unter den in der Möbelherstellung gängigen Sorten das richtige zu finden. Am besten besorgt man sich zunächst bei einem Tischler ein kleines Sortiment von Proben (die abgesägten Enden von Brettern genügen völlig) und legt sie dem Wurm zur Auswahl vor. Das Ergebnis sollte dann für den Möbelkauf ausschlaggebend sein.

Hierbei ist folgendes zu bedenken : Bei der Herstellung moderner Möbel wird gewöhnlich nur eine ganz dünne Lage des wertvollen Holzes, auf das es der Kunde abgesehen hat, auf dicke Bretter einer billigeren Sorte als Furnier aufgeleimt. Wenn der Wurm gezwungen ist, in der dünnen Oberschicht zu leben, kann er sich leicht Erkältungskrankheiten zuziehen, da seine Flanken oft nicht genügend bedeckt sind. Man achte also darauf, massives, unfurniertes Holz zu erhalten - zumal auch der umgekehrte Fall seine Gefahren hat. Nehmen wir z. B. einen Schrank, Mahagonifurnier auf Fichte. Unser Wurm lebt und wirkt also bescheiden im Fichtenholz, auf das er spezialisiert ist. Wenn nun der Besitzer, vielleicht durch Krankheit, sich längere Zeit nicht um seinen kleinen Freund kümmern kann, so könnte es geschehen, daß er nach seiner Genesung den Schrank öffnet - aber der Schrank besteht eigentlich nur noch aus hauchdünnen Mahagoni-Umrissen eines Schrankes - und im Innern findet er den Holzwurm. Tot. Verhungert.

Ich kenne einen Mann, dem dies geschah. Er war Berufsboxer, ein harter Bursche, und doch brach er zusammen und weinte wie ein Kind. Nach langen Monaten konnte er wieder in den Ring steigen, aber seine frühere Hochform hat er nie mehr erreicht. Tragisches Los eines großen Sportlers. Also Augen auf beim Möbelkauf !

Krankheiten : Im allgemeinen hat ein gesunder Holzwurm keine Krankheiten. Man achte auf die im Kapitel Ernährung geschilderte Erkältungsgefahr. Wenn der Wurm bereits hustet, so sorge man dafür, daß er in dickes Holz kommt, damit er völlig bedeckt ist. In schweren Fällen werfe man zusätzlich die Zentralheizung an. Zugluft ist unbedingt zu vermeiden. Leidet der Holzwurm an chronischer Verschleimung, so empfiehlt sich ein australisches Hausmittel : man setze ihn für 5 bis 6 Tage in Eukalyptusholz. Verdauungsstörungen sind nicht sehr selten, aber selten schwerwiegend. Der Grund ist meistens, daß der Wurm in der Hitze des Nagens Tischlerleim zu sich nimmt (besonders durch Kaltleim kann es zu einer Erkältung des Magens kommen). Für gewöhnlich fastet er dann einige Tage, man wird ihn während dieser Zeit auch nicht mit dem Stethoskop am Nagegeräusch orten können.


Fortsetzung

Titelseite der Holzgeister   Holzwurm - Witze

Titelseite   Ahnenforschung   Briefmarken   Scherzseiten   Links   Umfrage   eMail