Holzwurm - Legenden und Märchen


Der große Wurm von Eckerö - oder warum die Spechte anklopfen

Es war einmal vor langer, langer Zeit, da lebten in den tiefen und dunklen Wäldern von Finnland die Holzwürmer noch in Frieden und Freuden. Emsig bohrten sie ihre Höhlen und Gänge in die Bäume und die Bäume freuten sich über die viele frische Luft im Holz.

Es gab sehr viele Tiere im Wald, aber keines wollte ihnen etwas antun, alle waren mit den Holzwürmern befreundet, besonders die Eichhörnchen. Diese Freundschaft ging so weit, daß die Eichhörnchen für die Holzwürmer auch gerne mal Taxi spielten.

Du fragst, wie das geht ?
Nun, Eichhörnchen sind schnell und können leicht von Baum zu Baum springen.
Will nun ein Holzwurm seine Freundin besuchen, die drei Bäume weiter rechts wohnt, so bittet er ein Eichhörnchen, ihn zu tragen.
Er bohrt sich in ein Stück von einem Tannenzapfen, das Eichhörnchen packt das Stück Tannenzapfen mit den Zähnen und...
.... huiiii ! geht die schnelle Post los !
Und noch bevor der Holzwurm dreimal
"wo-im-Wald-die-Würmer-bohren-ham-die-Spechte-nix-verloren" sagen kann, ist er schon beim dritten Baum rechts angekommen !


Wenn ein Holzwurm eine ganz weite Reise machen will, vielleicht bis zum "Großen See mit der Insel", dann machen die Eichhörnchen auch mal eine Stafette. Das bedeutet, sie wechseln sich ab, alle fünfzehn Bäume übernimmt ein anderes Eichhörnchen die Beförderung per Taxi.

Da geschah es eines Tages, daß ein seltsamer Vogelschwarm in den Wald kam, eine Vogelart, die noch niemand kannte. Diese Vögel hatten lange, spitze und gefährlich aussehende Schnäbel und rote Federmützen auf den Köpfen. Man nannte sie "die Spechte".

Leider hatten die Spechte eine Angewohnheit, die den Holzwürmern sehr lästig war, sie wohnten nämlich auch gerne im Baum. Mit ihren langen Schnäbel hackten sie kräftig ins Holz, daß die Splitter nur so flogen ! Sie machten riesige Löcher in den Baum, hackten sich im Inneren eine tiefe Höhle und wohnten darin.
Dabei konnte es leicht passieren, daß sie dabei die Gänge und die Wohnungen der Holzwürmer zerhackten ... und wenn da noch ein Holzwurm drin war, wurde er sofort gefressen. Zuerst nur aus Versehen, aber später immer öfter, als die Spechte merkten, daß es viel bequemer war, als Ameisen oder Fliegen zu fangen.

So wurden die Holzwürmer immer weniger und die Ameisen immer mehr und die Spechte immer frecher !
Das konnte wirklich nicht so weitergehen !

In dieser großen Not beschloß der Rat der Holzwürmer, es müsse Hilfe geholt werden. Aber wer könnte ihnen helfen ? Es wurden Holzwürmer mit der Eichhörnchen-Stafette aus allen Teilen des Waldes geholt. Schließlich kam eine junge Holzwurm-Frau, die den "Großen Wurm von Eckerö" kannte.

Nun wurden gleich drei Eichhörnchen-Stafetten vorbereitet und huiiii - ging es los !
Na, der "Große Wurm" ließ sich nicht lange bitten !! Er paßte allerdings nicht in einen Tannenzapfen, auch nicht als Reittier auf ein Eichhörnchen - schließlich war er ja kein kleiner Holzwurm, sondern der "Große Wurm von Eckerö" !
Aber er hatte ein Hirsch-Taxi, das lief auch sehr schnell. Nach drei Tagen waren sie alle zurück zu dem Wald mit den frechen Spechten.

Am nächsten Tag, als wieder ein Specht kam, um sich in einem Baum mit dem spitzen Schnabel eine Wohnung zu hacken, schlich der "Große Wurm" sich heimlich an, biß mit seinen großen scharfen Zähnen in das Holz und ... pötzlich fiel der Baum mitsamt dem Specht um !
Da sich der Wurm sofort im Laub versteckte, wußte der erschrockene Specht überhaupt nicht, wer ihm da einen Streich spielte. Er konnte nur sehen, daß der Baum angenagt war.
Anderen Spechten erging es nicht besser, kaum hackten sie ihre Schnäbel in einen Baum, zack ... schon lagen sie im Gras !

Aber irgendwann entdeckten sie den "Großen Wurm" und es kam zu einer Versammlung der Spechte und der Holzwürmer.

Und die Spechte versprachen, nur noch dort Wohnungen in den Baum zu hacken, wo keine Holzwürmer wohnen, und auch keine mehr zu fressen - höchstens aus Versehen. Und sie wollten diese Vereinbarung allen Spechten weitererzählen. Und so geschah es auch.

Seit diesen Tagen müssen die Spechte erst anklopfen, bevor sie ihre Wohnung bauen, und wenn Du einmal durch den Wald gehst, hast Du vielleicht Glück und kannst das anklopfen hören.

© Peter Dörling, 2000   Grafik: Maren Winter



Die Natur reguliert sich selbst.
Jedes Lebewesen wirkt mit seinen Handlungen auf andere ein.
Alles hängt zusammen, alles hängt voneinander ab.
Gut oder Böse gibt es nicht.
Gerade im heutigen Alltag, da tagtäglich fremde Lebensformen uns ihre Weltanschauung aufdrängen,
brauchen wir simple Formeln zur Wertung, um uns noch zurecht zu finden.
Denn wer hat soviel Zeit,
den Dingen jedesmal auf den Grund zu gehen?

Maren Winter


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