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Erlebnisse und Beobachtungen

mit den Samtpfoten

Samtpfoten samt Dosenöffner ziehen um

Also, was hier zur Zeit los ist, das hält ja der stärkste Kater nicht aus.
Überall stehen Kartons herum. Das ist schön. Darin kann ich mich herrlich verstecken. Aber meine Dosenöffner laufen seit Tagen wie die aufgescheuchten Hühner herum.

Habe ich gerade einen Karton zu meiner neuen Schlafstätte auserkoren, da kommt irgend jemand, ruiniert meine schönsten Träume, schüttelt mich aus dem Karton und sagt: "Mickey, leg dich nicht ständig in die Kartons. Wir werden alle brauchen, um unseren Kram darin einzupacken. Geh raus, ein bißchen spielen."
Aber ich will nicht nach draußen. Es ist zu Hause immer so schön, wenn alle da sind.
Nur von Gemütlichkeit kann zur Zeit ja wohl nicht die Rede sein. Also trotte ich davon, aber nicht, ohne meinen Herrschaften einen verachtenden Blick zuzuwerfen, der da sagen soll: "Wie könnt ihr es wagen mich zu stören."
Zur Bestrafung lasse ich meinen Schwanz hängen, sodaß die Spitze fast schon über die Erde schleift. Dann bekommen sie immer ein schlechtes Gewissen, und schmusen sofort mit mir. Nur heute wirkt das leider nicht.
Überall wird gepackt. Was das bloß alles soll?
Ich habe da so eine Ahnung. Die wollen umziehen. Jedenfalls habe ich das in einem Gespräch belauscht.
Meine Leute dachten zwar, ich schlafe, aber ich bin ganz schön schlau. Hab nur so getan.
Dann ist mein Frauchen, meine liebste Dosenöffnerin, zu mir gekommen und hat mir erzählt : "Du bekommst ein neues Zuhause." Mir ist fast das Herz in die Schwanzspitze gerutscht.
"Eh, was soll das heißen - Ein neues Zuhause - Ich fühle mich hier sehr wohl. Will gar nicht woanders hin."
Das heißt, unsere Mitbewohnerin und meine stärkste Konkurrentin, auch ein Stubentiger, die kann ruhig ausziehen. Die ist so eingebildet. Ständig läuft sie mit hocherhobenem Näschen durch die Gegend. Zeigt mir nur ihre glänzende schwarze Rückseite. Und im Ohrfeigenverteilen ist sie auch nicht gerade zimperlich. Aber ab und zu zahle ich es ihr heim. Wenn gerade von meinen zweibeinigen Freunden keiner hinsieht, teile ich auch schon einmal Keile aus. Das gibt dann immer einen tollen Boxkampf.
Und wie Katzenfrauen so sind, schreit sie Morder und Gezeter, sodaß ich dann die Schimpfe von meinem Frauchen bekomme.
Weiber - wer kann die schon verstehen !

Foto : Yuri Galanter, www.galanter.net

Dann erklärt mir mein Dosenöffner, dass wir alle gemeinsam umziehen werden.
Aufatmen - ich dachte schon, sie wollten mich gegen eine andere Katze eintauschen weil ich mich mit meiner Konkurrentin überhaupt nicht verstehe, oder so etwas ähnliches.
Jedenfalls habe ich mir schreckliche Sorgen gemacht. Wäre sogar fast bereit gewesen, so zu tun, als würde ich mich in Lilly verlieben. Aber wirklich nur fast. Scheint zum Glück nicht nötig zu sein.

Na ja, jedenfalls kommt der Tag, da hält ein riesiger LKW vor unserem Haus. Ein paar Männer steigen aus, einer begrüßt mich freundlich, finde ich ganz nett, mache mich dann aber doch aus dem Staub.
Die kommen mit schrecklichen Folterinstrumenten. Zerlegen sämtliche Möbel in Einzelteile und mein Frauchen regt sich noch nicht einmal auf. Was für eine Ungerechtigkeit.
Wie hat sie mit mir geschimpft, nur als ich den Blumentopf von der Fensterbank geschubst habe. Und das noch nicht einmal mit Absicht. Was konnte ich dafür, dass der wunderschöne Schmetterling sich ausgerechnet hinter dieser Blume versteckt hatte. Ha, er hat gedacht, ich sehe ihn dann nicht. Habī ich aber doch. Und als ich nach ihm schnappte, da ist es dann passiert. Der Topf stürzte zu Boden, zersprang in tausend Einzelteile. Mein Frauchen kam angelaufen und hat mich kräftig geschimpft. Und der Schmetterling wurde, zu meinem ganz besonderen Übel, behutsam von Frauchen nach draußen befördert.
So ein Ärger. Keine Beute, kein streicheln, nur Schimpfe.
Und jetzt sind da so viele Leute, und alle machen irgendetwas kaputt, und mein Frauchen säuselt mit liebevoller Stimme: "Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?"   Mir bietet sie nie was an, wenn ich was kaputt gemacht habe.

Nun, ich will jetzt lieber nach draußen, lege mich in die Sonne, wälze mich am Boden, damit mein Fell anschließend auch schön staubig ist. Das hat sie dann davon. Dann kann sie mich wenigstens so lange streicheln, bis ich wieder ganz sauber bin. Streicheln erlaube ich gerne, aber kämmen nicht, das ziept immer so schrecklich.
Könnte ich im Prinzip auch selber, aber es ist viel schöner, wenn sie das macht.
Ich suche mir ein schönes Plätzchen und ungestört kann ich hier den halben Tag verdösen. Nur.... es ist auf einmal so erschreckend ruhig im Haus. Keine Folterinstrumente zu hören. Keine Stimmen. Ich bekomme ein flaues Gefühl in der Magengegend. Muss doch mal nachsehen, was da los ist.
Also, durch die Katzenklappe in den Wintergarten, und schon ist Sense.
Alle Türen sind zugesperrt. Jetzt ist aber Schluß mit lustig!!!
Ich rufe und rufe, so laut ich kann. Bis mir die Stimme heiser wird. Aber niemand kommt. Was für ein Schock. Jetzt haben die mich doch glatt vergessen. Meine Güte, ich überlege was nun zu tun ist. Mir fällt aber nichts gescheites ein. Und von dem anstrengenden Nachdenken werde ich so müde, dass ich mich auf dem Türvorleger zusammenrolle und erst mal ein Nickerchen mache.
Kommt Zeit, kommt Rat.
Da, was war das? War da nicht eine vertraute Stimme? Oder habe ich alles nur geträumt? Nein, jetzt höre ich es ganz deutlich. Meine Menschentochter ruft ganz deutlich meinen Namen. "Mickey, wo bist du? Komm, wir wollen dich holen und verreisen."
Was fürīn Quatsch. Die sind noch nie mit mir verreist. Aber das ist mir jetzt egal. Ich bin so froh, dass ich endlich eine vertraute Stimme höre. Und dann? Ja und dann packen mich plötzlich ein paar Hände und zwängen mich in diesen schrecklichen Korb, den ich auf den Tod nicht ausstehen kann. Denn das bedeutet sonst immer Besuch beim Tierarzt, der mir dann so ein schreckliches Ding in den Pelz jagt, dass fürchterlich piekt.
Ich werde ins Auto verschleppt. "Hilfe, man will mich entführen!"   Aber niemand ist da, der auf mein klägliches Miauen reagiert. Was für eine schlechte Welt....
Nach etlichen Minuten hält dieses stinkende Vehikel plötzlich an. Der Korb ruckelt und zuckelt. Dann werde ich abgestellt. Einfach so. Die Tür des Korbes wird zwar geöffnet, aber hier riecht alles so fremd. Ich traue mich erst mal nicht heraus.
Höre viele vertraute Stimmen, die versuchen mich herauszulocken. Mein Herrchen meint, es sei besser, ich bliebe erst mal im Korb eingesperrt. Aber zum Glück lässt mein Frauchen das nicht zu. Die Tür bleibt auf.

So verharre ich Stunde um Stunde. Alles gute Zureden hilft nichts. Außerdem sind da noch diese vielen fremden Stimmen und dann höre ich wieder diese Folterinstrumente. Was ich so von meinem Versteck aus beobachten kann, da sehe ich doch, wie diese Männer, die erst alle Möbel zerlegt haben, diese wieder Stück für Stück zusammensetzen.
Eh, warum ging das nicht mit dem Blumentopf? Wo wart ihr, als ich eure Hilfe so dringend gebraucht hätte?
Ich bin so neugierig, dass ich es wage, meine Nasenspitze ganz vorsichtig aus der Tür zu halten. Erst mal den fremden Geruch aufnehmen. Hmmmm, kann ich überhaupt noch nicht deuten.
Und dann passiert es. Da stößt doch irgend so ein Trottel mit einem Stuhl gegen meine ach so sichere Transportbox. Ich bekomme so einen großen Schreck, dass ich wie von der Tarantel gestochen herausflitze, die Treppe nach oben - war der erstbeste Weg - und dann ab in ein Versteck.
Oh, diese Aufregung hättet ihr erleben müssen. Ich habe noch nie so viele Zweibeiner so viele Stunden lang nach mir suchen sehen. Alle mussten mit ran. Mein Frauchen hatte die größte Panik, ich hätte den Weg zur offenstehenden Haustüre gefunden. Mein Herrchen schimpfte: "Hab' dir doch gleich gesagt, du sollst ihn einsperren." Alle rufen und suchen und suchen. Oben und unten, im Keller und dann wieder oben und unten und wieder im Keller.
Ich gebe keinen Mucks von mir. Sollen die sich doch erst mal richtig Sorgen um mich machen.
Das war ein Spaß. Von der Aufregung bin ich so erschöpft, dass mir augenblicklich die Augen zufallen.
Jetzt erst mal ein paar Stunden schlafen.
Ich habe meinen Leuten bis heute nicht verraten, wo ich mich versteckt hatte.


Herzlichen Dank für diese Einsendung an Brigitte Niggemann !


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